Von der Huf- und Wagenschmiede über die "High-Tech-Schmitte" zur Kafichanne

Die heimelige Stube, in der sich heute die „Kafichanne“ befindet, ist geprägt von einer wechselhaften Vergangenheit. Wie noch lebende, ehemalige Bewohner des Hauses zu berichten wissen, wurde in dieser Stube einst geschmiedet. Noch heute zeugt die Höhe des Raumes von der ehemaligen Nutzung als „Schmitte“.

Schmiede und Bauernhof

Das im Jahr 1837 erbaute Bauernhaus war über mehrere Generationen im Besitz der Familie Ehrensperger. Der von Oberwinterthur nach Tagelswangen zugezogene Johann Heinrich Ehrensperger war Schmied und bewohnte in erster Generation mit seiner Familie das Haus.

Die Liegenschaft wurde als Schmiede und ergänzend auch für landwirtschaftliche Zwecke genutzt, bis dann – wohl noch im 19. Jahrhundert – für das Schmiedehandwerk neben dem ursprünglichen Gebäude eine separate eingeschossige Werkstatt erstellt wurde.

Die beiden Söhne, Hans und Heinrich, führten in dritter Generation die Schmiede und den Bauernbetrieb getrennt weiter. Heiri, wie er im Dorf genannt wurde, bewirtschaftete den kleinen Bauernhof an der zunehmend verkehrsreichen Landstrasse mit seiner Ehefrau Nini und fünf Kindern bis in die Sechzigerjahre. Im Nebenamt war er vorerst Gemeindeamman, für einige Zeit Gemeindepräsident und schliesslich 24 Jahre Mitglied des Bezirksgerichts, davon 12 Jahre als dessen Präsident. Bruder Hans übernahm die erwähnte, angrenzende Schmiede.

Von den Nachkommen, Heinrich, Erich, Armin, Rösli und Lorenz, war es der Jüngste, der die Nutzung an der Zürcherstrasse 48 in eine neue Richtung lenkte. Ende der 1970er Jahre kam mit Erich Schwaller ein Automobilingenieur dazu. Beide, Lorenz und Erich, waren leidenschaftliche Fans des Automobilrennsport. So bauten sie einen Teil zu einem mechanischen Betrieb um.

Rennautos, Smart-Prototyp und russische Motorräder

Zu Beginn der Achtziger Jahre übernahm der Jungunternehmer Schwaller das Zepter in eigener Verantwortung. Er forcierte die Räumlichkeiten zum Atelier der besonderen Art. Formel 2-Fahrzeuge von namhaften schweizerischen und holländischen Rennfahrern wurden in „Tag- und Nachtschichten“ auf die kommenden Renneinsätze vorbereitet.

Bald schon kam eine firmeninterne Reorganisation. Es entstand die Firma „Schwaller Movement Engineering AG“. Der Gewerbler spezialisierte sich auf Einzel- und Spezialanfertigungen rund um den Automobil- und Motorrad-Rennsport.

Niemand geringer als Nicolas Hayek wandte sich eines Tages mit einem Auftrag an den „selfmade man“. So kam es, dass der Prototyp von Hayeks Swatch Mobil in den Räumen des Tüftlers angedacht wurde. In der Weiterentwicklung des Unikates entstand der heute in Serie industrialisiert hergestellte Smart.

Das Unternehmen wuchs. Es gab Arbeit in Hülle und Fülle. Auch namhafte Firmen aus der Szene wurden auf das Atelier in Tagelswangen aufmerksam. Einer der nennenswertesten Kunden war der Rennstall von Peter Sauber in Hinwil.

Auf der Suche nach einem handwerklich begabten Schreiner, zur Anfertigung eines Holzmodells für einen später eigens angefertigten Formal 3, lernte der damalige Patron der Werkstatt 1988 Peter Gerber kennen. Nachdem im Jahr 1994 die Firma aus Platzgründen nach Aadorf verlegt worden war, bekam Peter 1995 die Gelegenheit, einen Teil der Anlage zu mieten, für seine Leidenschaft an den russischen Motorfahrrädern.

Kam der junge Handwerker jeweils, um an seinen Gespannen zu arbeiten, besuchte er hie und da den alten Hausherrn, Heinrich Ehrensperger, der mittlerweile das grosse Gebäude allein bewohnte. Durch diesen Bezug wuchs das Interesse der Gerbers an diesem Haus rasch. Als Heiri Ehrensperger 1996 verstarb, gaben die familienorientierten Beweggründe von Peter und seiner Frau Monika den Nachkommen schliesslich die Gewissheit, dass sie würdige Besitzer für dieses Haus sein würden.

Ein Lebensprojekt

So hauchte die Familie Gerber mit den vier Mädchen Tabea, Damaris, Salome und Rahel ab Dezember 1996 dem Gebäude mit seiner damals bereits 160 Jahre alten Geschichte das nötige frische Leben ein. Mit seinen handwerklichen Fähigkeiten war der neue Hausherr prädestiniert, diese Lokalität in neuen Glanz zu führen. Es war der familiäre Start eines Lebensprojektes. Umstrukturierung, Wiederherstellung, Renovation, Erneuerung waren angesagt.

Im Mai 1999 gründete Peter seine Firma „Holmo-Tech“ – Holz- und Motortechnik. Die Zürcherstrasse 48 wurde zur ersten Anlaufstelle für die russischen Motorfahrräder „Dnepr“. 2001 ging jedoch die Nachfrage für dieses Liebhaber-Fahrzeug bereits wieder zurück, so dass sich der junge Familienvater dazu entschied, seine berufliche Ausrichtung nun ganz auf seine Passion, das Schreinerhandwerk, zu setzen. Aus Holmo-Tech wurde Holz-Tech.

Doch verschwunden sind sie nicht an der Zürcherstrasse, die Motorfahrräder. Noch heute, an einem sonnigen Tag holt der Fan sein russisches Gespann aus der Scheune und lässt das Dorf durch seine tuckernden Geräusche auf sich und seine grosse Freude an diesen Motoren aufmerksam werden.

Töffwerkstatt, Schreinerei und Familie unter einem Dach – ein grosses Ziel wurde erreicht. Die Kinder wuchsen heran. Suchten ihr eigenes Dasein. Es gab wieder Platz. Was nun?

Während eines Auslandjahres von Salome, einer der vier Töchter, in der idyllischen Gegend von Devon in Südwest-England entstand das nächste Projekt der Familie: Die vielseitigen Fähigkeiten und Leidenschaften der Gerbers liessen im Jahr 2012 das wundervolle Café „Kafichanne“ entstehen, das seither seine Türen weit offen hat für jede Art Mensch, der Wärme und Herzlichkeit sucht, offen für das Dorf und alle Sehnsüchtigen.

Die liebevollen Details in der Gestaltung der Räumlichkeiten wurden von Schwester Damaris stark und immer wieder aufs Neue geprägt. Ihr Ehemann, Matthias, kümmert sich seit eh und je um das digitale Gesicht der Kafichanne. Mit seinem aussergewöhnlichen Talent sorgt er für eine attraktive Kommunikation. Mit Handwerker-Dady ist der Schreiner stehts vor Ort und passt das Café laufend den Bedürfnissen und der Weiterentwicklung an. Was einst als reiner Familienbetrieb startete, mit den vier Schwestern an der Front, wird heute von einem wundervollen Team von Frauen ergänzt, welche ihr Herz ebenfalls an die Vision der Kafichanne verloren haben.

Monikas Leidenschaft für das Wirken in der Küche brachten einige der bis heute bestehenden Kafichanne-Klassiker hervor, wie etwa das Channe-Müesli oder Moni’s Schlemmer-Schnitte.

Und … ist es nicht doch zum Schmunzeln? Heiri Ehrensperger sprach immer und immer wieder in seinen älteren Tagen von einem „Kafi Rank“ in diesen vier Wänden … wie doch das Leben so spielt.

So wurde im Laufe von über hundertachtzig Jahren aus dem ehemaligen Bauernhaus ein wahrlich historischer Ort mit einer Geschichte, die hoffentlich noch lange Zeit mit weiteren Überraschungen bereichert wird.